Wie alter Wein

Auch wenn ich sie leider nie abfahren konnte und das Rollmaterial bestenfalls aus dem vorbeifahrenden Zug auf dem Weg von oder nach Hamburg kannte; die Bad Orber Kleinbahn war für mich immer etwas Spezielles. Auch wegen ihres Rollmaterials natürlich. Dass es noch eine nicht weniger reizende Schwester-Bahn gab, erfuhr ich allerdings erst viel später.

Zwei bis drei kleine MaKs von denen jeweils eine diesen zweitteiligen Zug die wenigen Kilometer zwischen Wächtersbach und Bad Orb hin und her zog, bzw. schob. Der Betrieb dieser Kleinbahn, modellbahntauglicher hätte er nicht sein können. Angeblich besass die Bad Orber Kleinbahn in Form eines Flachwagens einen einzigen zusätzlichen Wagen. That’s it! Damals, als es noch kein Internet gab, waren meine einzigen Quellen für Informationen die regelmässig erscheinenden Zeitschriften mit Fotos und Berichten über die Bad Orber Kleinbahn und ihresgleichen. Natürlich habe ich diese Berichte gesammelt! Auf jeder Deutschlandreise stand ausserdem ein Besuch in einem „gutsortierten Bahnhofskiosk“ auf der Liste; es hätte ja sein können, dass seit meinem letzten Besuch eine neue Ausgabe von Zeunerts Privatbahnen erscheinen ist. Vielleicht sogar mit Neuigkeiten zur „Gelnhäuser Kreisbahn“, wie sie auch mal hiess.

Die Idee einen solchen Zug aus anderen Modellen selber zusammenzubasteln, bevölkerte schon früh die dafür vorgesehen Regionen innerhalb meines Schädels. Ich glaube, ich habe mir sogar mal die entsprechenden Wagen gekauft. Aber eben, es war auch nur eine von ganz vielen nicht umgesetzten Ideen. Die passenden Loks wurden dann von Real-Modell produziert, und beide Varianten mit unterschiedlichen Führerhäuschen müssten Euch, liebe regelmässige Besucher des Weineggbahn-Blogs, hinlänglich bekannt sein. 😉

Dann wurde auf der Website von Real-Modell auch noch der Bad Orber-Zug zum Kauf angeboten. Umgebaut aus Roco-Modellen, aber ergänzt mit Messingteilen, die ihn zum richtigen Bad Orber-Kleinbahnzug machen. Und er sah auch so aus, wie ich ihn von vielen Fotos kannte. Allerdings kostete er sehr viel. Dieser Preis ist allerdings durchaus akzeptabel, wenn man bedenkt, dass doch schon einiges an Arbeit in einem solchen Umbau steckt. Aber für mich trotzdem zu hoch. Immer wieder habe ich ihn mir angesehen und geträumt. Und dann fing ich an dafür zu sparen, bzw. ich habe mir einen bestellt und weil die Lieferfristen bei Real recht lang sind, konnte ich bis zu seiner Auslieferung kräftig sparen.

Endlich kam das sehnlichst erwartete Paket aus Norddeutschland. Und nach dem Öffnen machte sich umgehend Ernüchterung breit: er war nicht ganz so, wie ich mir vorgestellt habe. Er glänzte furchtbar. Wodurch einige Imperfektionen wortwörtlich ans Tageslicht traten. Dabei hatte ich mich doch so sehr auf den perfekten Zug für meine Weineggbahn gefreut! Mit der Bevölkerung im Zug hätte ich ja noch leben können, auch wenn ich weniger ein Freund solcher Dinge bin. Aber dieser Glanz der die vielen Spachtelstellen derart hervortreten liess! Nein, ich war schlichtweg enttäuscht. 

Die beiden Wagen fristeten seither ein eher klägliches Dasein, meistens in ihren beiden Kartonschaschteln. Bis ich sie letztens doch wieder einmal etwas frische Luft schnuppern liess. Dabei kam ich zum Schluss: so schlecht sehen sie ja auch wieder nicht aus! Und den Glanz fand ich auch nicht mehr so schlimm. Ob es daran liegt, dass meine Sehkraft altersbedingt etwas abgenommen hat? Ich weiss es nicht. Jedenfalls gefällt er mir inzwischen, mein Bad Orber Weineggbahnzug. Ich glaube, die Beiden werden von nun an  einen angemessenen Platz in der Fffitrine bekommen und hier öfters einmal auftreten dürfen. Sie sind eben sowas von weineggbahntauglich: kurz, erste Klasse, zweite Klasse, Gepäckabteil und sie müssen am Endbahnhof nicht umständlich umfahren werden. Wahrscheinlich ist’s mit diesem Zug wie beim Wein; einige Jahre gut gelagert wird er unter Umständen besser. Oder er bekommt Korken...

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