Ecken und Kanten

Wenn Ihr mich fragt, sind erst wenige Jahre vergangen, seit diese eckigen Lokomotiven in der Schweiz auftauchten, und trotzdem sind sie schon wieder dabei von den Gleisen zu verschwinden. Verschieden Privatbahnen brauchten in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts neue Loks und der damalige Monopol-Lieferant SLM bot ihnen etwas an, dass eine Leistung von 3200kW hatte und mit maximal 130km/h über die Gleise brausen konnte. Sie erhielt die inoffizielle Bezeichnung KTU-Lok und hiess offiziell Re 456. KTU steht für Konzessionierte Transport-Unternehmungen, die damals amtliche Bezeichnung für alle Bahnen, die nicht SBB waren.  

Die ersten beiden KTUs, die solche Loks geliefert bekamen, war die Bodensee-Toggenburg-Bahn im Osten der Schweiz und die Sihltal-Zürich-Üetliberg-Bahn, welche Vororte im Süden von Zürich erschliesst. Dies war 1987. Wenige Jahre später, 1993 um genau zu sein, wurde nochmals eine Serie aufgelegt, nochmals für die Sihltal-Zürich-Üetliberg-Bahn und die Vereinigten Huttwil-Bahnen. Insgesamt doch immerhin vierzehn Maschinen.


Als Eingeborener der Stadt Zürich - und damals noch nicht so nostalgisch veranlagt - waren speziell die SZU-Loks in ihrer hochaktuellen rot-orangem Farbgebung das Nonplusultra. Die BT-Loks fand ich zwar auch sehr chick, aber die Beziehung zu denen war rein geographisch weniger ausgeprägt. 

Während die Lokomotive der SZU fast ausschliesslich vor Regionalzügen zwischen dem eigenen SZU-Bahnhof in Zürich und Langnau, bzw. Sihlwald und anfänglich Sihlbrugg im Einsatz sind, durften die BT-Loks den Voralpenexpress über die Strecken von SBB, BT und Südostbahn vom Bodensee durch die Voralpen an den Vierwaldstättersee befördern. Die VHB-Loks wurden meines Wissens im Zusammenhang mit der Erschliessung eines grossen Kiesvorkommens beschafft und waren dementsprechend meistens vor Güterzügen unterwegs.


Auch wenn ich es anders empfinde, seit 1987, bzw. 1993 ist schon wieder einige Zeit vergangen und die Bahnlandschaft in der Schweiz hat sich gründlich geändert. Dies hat auch Einfluss auf diese Loks. Die VHB gehört heute zur BLS und gab ihre kleine KTU-Serie an die neue Südostbahn ab, die ihrerseits wiederum aus der Fussion der alter SOB mit der BT entstand. Die neue SOB hat sich inzwischen aus dem Güterverkehr verabschiedet und den Personenverkehr auf Triebzüge umgestellt. Die KTUs und alle anderen Lokomotiven wurden somit überflüssig und gelangten grösstenteils an private Dienstleister im Güterverkehr.

Einzig die SZU wird ihre KTUs noch einige Jahre einsetzen und hat sich zur Ersatzteilversorgung noch eine ehemalige BT-Lok dazugekauft. Die Loks der SZU wurden zudem vom ursprünglichen rot-orangen Design in ein meiner Meinung nach ebenso schönen Erscheinungsbild in diversen Rottönen umlackiert.

Ja, das Design der KTUs. Es war wahrscheinlich nie wirklich vorgesehen mit diesen Loks einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen, und trotzdem finde ich sie schön, in ihrer Form follows function-Erscheinung. Und es ist spannend, wie die drei Bahngesellschaften, die diese Loks neu ab Werk bezogen, den Maschinen ein individuelles Erscheinungsbild verpassten. Die BT, die auf ihr klassisches Privatbahn Creme-Grün zurückgriff und eine elegantes Zugpferd für ihren Vorzeigezug schuf. Andererseits die SZU, die mit ihrem rot-orangen Siebzigerjahre-Design ihre Loks so gestaltete, dass sie bestens vor ihre urbanen Pendelzüge passte. 

Die VHB (von deren Loks ich kein Modell besitze, darum müsste Ihr nach diesbezüglichen Bildern googeln. Sorry) hat den Designer Luigi Colani beauftragt, das Äussere ihrer Loks zu gestalten. Dabei waren glücklicherweise die Firmenfarben, das Signet und die Form des Lokkastens gegeben. Ich glaube aber kaum, dass sich Signore Colani höchstpersönlich ans Reissbrett setzte; das Werk seines Mitarbeiters finde ich aber gelungen.

Endlich zu den Modellen. Die Firma HAG aus dem st. gallischen Mörschwil - sowas wie das modellbahnerische Vermächtnis der Schweiz - nahm sich den Modellen dieser Loks an. Eigentlich ein gefundenes Fressen für einen Hersteller, der sich einerseits ausschliesslich auf Modelle nach Vorbildern aus der Schweiz konzentriert und andererseits erpicht ist, verständlicherweise aus den gleichen Formen möglichst viele Farbvaranten herzustellen. HAG kam ausserdem entgegen, dass die SBB Re 450, die Loks vor den Doppelstockwagen der ersten Serie auch im Original aus den KTU‘s abgeleitet wurde. (Herr K. aus Z: wegen unserer Diskussion letztens. Darum machte es evtl. Sinn, dass die SZU von der SBB komplette Doppelstockzüge der ersten Generation übernahm?)

Die Modelle sind zwar schön gemacht, aber genau genau so, wie HAG Modelle herstellte seit sich die Gletscher nach der letzen Eiszeit aus dem Gebiet St. Gallen-Toggenburg zurückzogen. Feinmechanik in bester Schweizer Qualität mit Motoren die eine Saharadurchquerung überstehen und einem Innenleben das auch beim Durchbohren der Gotthard-Röhren hätte gebracht werden können. Und ich mein‘ dies jetzt nicht einmal besonders negativ. Ebenfalls HAG-typisch wurde das Gehäuse im Druckguss-Verfahren aus Metall hergestellt. Die Gehäuse sind genau detailliert, und ich habe noch nie gehört, dass ein HAG-Modell Zinkfrass hätte.

HAG stelle meines Wissens alle erdenklichen Versionen der BT-, SZU- und VHB-Loks her, und das sind Einige. Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich die glatten Wände bestens fürs Bekleben mit Werbung und anderen Verunstaltungen anbot. Ich habe nur zwei Loks, eine der Bodensee-Toggenburg-Bahn und eine der Sihltal-Zürich-Üetliberg-Bahn. Im Keller befände sich noch eine Zerlegte mit blanken Lokkasten; warum sollte die Weineggbahn denn nicht auch einmal auch eine KTU haben?


Kommentare

Beliebte Posts