auf nach Birstein!

Wenn Ihr mich fragt, wo Birstein liegt, hätte ich ein ernsthaftes Problem, Euch diesen Ort genau zu lokalisieren. Irgendwo in der Mitte Deutschlands jedenfalls, am Vogelsberg nordöstlich von Frankfurt. Ich beabsichtigte allerdings mit dem öffentlichen Verkehr dorthin zu gelangen, daher ist es auch nicht so wichtig, dass ich exakt weiss, wo Birstein liegt. Die Fahrplan-App weiss es, und das ist in diesem Fall entscheidend.


D12 meiner Weineggbahn.

Aber warum wollte ich denn dorthin reisen?  Diese Frage kann ich hingegen sehr konkret beantworten. Wie Ihr richtig erahnt, muss es irgendwie mit Eisenbahnen zusammenhängen. 

Meine Weineggbahn hat bekanntlich diese beiden MaK 240C in ihrem Bestand. Die eine der beiden, die D 12, hat mehr oder weniger eine Lok zum Vorbild, wie sie früher bei den Gelnhäuser Kreisbahnen in Betrieb war. Zu diesem Unternehmen gehörte, neben der bekannten Bahn von Wächtersbach nach Bad Orb - die mit dem zweiteiligen Personenzug - und anderen, weniger bekannten Linien, eine, die auf den Namen Vogelsberger Südbahn hörte und ihren einen Ausgangspunkt ebenfalls in Wächtersbach hatte. Von dort schlängelte sie sich über fast zweiunddreissig Kilometer westwärts nach Hartmannshain. Etwa auf halber Strecke liegt Birstein. Der Bahnhof dort war bis zur definitiven Stilllegung der Strecke 1967 sogar Endbahnhof des Restbetriebs ab Wächtersbach. In Birstein erinnert man sich offenbar gerne an seine Vergangenheit mit Bahnanschluss und hat daher eine der drei kleinen MaKs der Gelnhäuser Kreisbahn als Denkmal auf ein Stück Rasen im Ort gestellt. Etwa an der Stellen, an der sich einmal der Bahnhof befand. Und der Besuch dieser Lok war der Grund meiner Reise, einer Pilgerreise sozusagen.



D12 meiner Weineggbahn.


Im Internet sind mir immer mal wieder Bilder dieser Lok begegnet, und ich wusste, dort muss ich mal hin. Weil im Frühling meine Zugvogeltriebe erwachen, zog es mich nun zum Vogelsberg. Logisch, oder? Birstein liegt allerdings überhaupt nicht in einer Gegend, in der ich mich ab und zu aufhalte, beziehungsweise öfter vorbeikomme. Darum musste zu drastischen Massnahmen gegriffen werden: eine Reise Zürich - Birstein retour! Die anfänglichen Überlegungen, wo ich übernachten soll, oder mit was ich diesen Trip verbinden könnte, verwarf ich wieder, sobald ich feststellte, man kann tatsächlich an einem Tag mit Bahn und Bus von Zürich zur MaK 240C in Birstein und wieder zurück reisen. Die gesamte Fahrzeit beträgt rund 13,5 Stunden und ich habe etwas mehr als eine halbe Stunde Zeit am Pilgerort. Das sollte genügen. Und wie hat es Herr Johann Wolfgang Goethe einmal treffend formuliert? Der Weg ist das Ziel! Darum habe ich kurzentschlossen gebucht! Zürich morgens um 08:00 mit dem ICE nach Frankfurt am Main, dann mit einem RE nach Bad Sodem-Salmünster. Schliesslich per Bus nach Birstein Busbahnhof. Ich vermute, der befindet sich wenige hundert Meter neben der Lok. Soll noch jemand sagen, wir hätten in Europa keinen gut ausgebauten öffentlichen Verkehr; mit zweimal Umsteigen gelange ich von Zürich in die tiefste Hessische Provinz. (Sorry, Birstein, das ist nicht despektierlich gemeint, aber der Nabel der Welt, ist‘s dort wirklich nicht. 😉)



D12 meiner Weineggbahn. 


Die Rückfahrt gestaltet sich gemäss Fahrplan ebenfalls recht unproblematisch. Zwanzig nach zwei setze ich mich in Birstein Busbahnhof wieder in einen Bus, der entlang der ehemaligen Bahnlinie nach Wächtersbach fährt. Dort steige ich in einen RE nach Frankfurt am Main um, und von dort wiederum geht es im IC nach Stuttgart. Schlussendlich mit einem zweiten IC zurück nach Zürich. Wer allerdings die Deutsche Bahn aus Erfahrung kennt, wird wahrscheinlich ebenfalls vermuten, dass diese Pilgerreise kaum wie am Schnürchen verlaufen könnte. Das Zahnbürstchen habe ich jedenfalls schon einmal eingepackt, falls ich irgendwo hängenbleiben sollte.



D12 meiner Weineggbahn.

Um acht Uhr morgens auf dem Zug sein zu müssen, grenzt schon fast an seelische Grausamkeit. Speziell an einem Tag, an dem man eigentlich ausschlafen könnte. Und wenn man sich dazu schliesslich noch, wie ich, freiwillig entschliesst... Ob man da noch helfen kann? 



Kurz vor acht. Hauptbahnhof Zürich.


Jedenfalls hat ICE 76 um 07:59 den Zürcher Hauptbahnhof mit Ziel Hamburg-Altona pünktlich verlassen. Mit mir an Bord, allerdings nur bis Frankfurt am Main Süd. Abgesehen von den üblichen fünf bis zehn Minuten Verspätung verlief die Fahrt angenehm und störungsfrei. Wodurch ich Zeit gehabt habe, den Rufbus zwischen Bad Soden-Salmünster und Birstein Busbahnhof zu reservieren. Genau so, wie es mir vom elektronischen Fahrplan auferlegt wurde. Es war sogar eine 0800-Nummer angegeben, die ich anzurufen hätte. Nur: mit meinem Schweizer Telefon kann ich keine 0800-Nummer in Deutschland anrufen; auch nicht, wenn ich mich in Deutschland befinde. 



Die Wettervorhersage.


Dass sich bei mir in diesem Moment ganz leichte Anzeichen von Nervosität bemerkbar machten, ist wohl verständlich. Sollte meine Pilgerfahrt nach Birstein deswegen auf den letzten Kilometern scheitern? Nix da! Ich fand im Internet einen netten Faltprospekt mit dem Fahrplan von AST 76A, genau jener Rufbuslinie, die ich um 13:20 ab Bad Soden-Salmünster zu frequentieren gedenke. Und es war sogar noch eine eMail-Adresse auf dem Faltblatt (sofern man ein pdf-File so nennen kann) bei der man sich melden könne, falls man Fragen hätte. Ja, die hatte ich bekanntlich, und so habe mich dort gemeldet. Ich bekam eine Antwort. Innerhalb von Minuten sogar. Nur: die Person der KVG Main-Kinzig gab mir den Rat, mich bei der 0800-Nummer zu melden, beziehungsweise eine andere Nummer zu wählen. Ich habe es dann mit beiden Nummern noch einmal versucht, inkl. des Voranstellens der deutschen Vorwahl.



zwischen Freiburg und Karlsruhe.

Und ich war überhaupt nicht erfolgreich. Auf mein zweites eMail an die KVG Main-Kinzig, habe ich eine zweite Antwort mit ganz vielen Ausrufezeichen bekommen; sie hätten mir jetzt einen Platz im Rufbus reserviert und es sei nicht nötig, dass ich auf dieses Mail nochmals antworte. Ich hab‘s dann trotzdem getan und mich darin ganz höflich bedankt. Aber, liebe KVG Main-Kinzig, eigentlich hätte ich gehofft, dass ihr schon nach meinem ersten Kontakt etwas mehr Kundenservice zeigen würdet. Ihr seid als Ansprechpartner erwähnt, und rasch eine 0800-Nummer anzurufen, wäre doch nicht so ein riesiger Aufwand gewesen, oder? Kundendienst und so, ihr wisst schon...



Frankfurt am Main Süd - Bad Soden-Salmünster.

Ich war dann allerdings recht überrascht, als statt des erwarteten Kleinbusses, ein Taxi vor dem Bahnhof Bad Soden-Salmünster auf mich wartete. Somit hat die KVG Main-Kinzig am Schuss doch alles zur vollen Zufriedenheit des schwierigen Kunden aus der Schweiz getan. Danke nochmals.

Die liebe Corinna fuhr mich dann auf direktem Weg bis nach Birstein Busbahnhof. Dieser liegt wahrscheinlich ungefähr dort, wo sich einmal der richtige Bahnhof von Birstein befunden haben könnte. Und machte an diesem Tag einen trostlosen Eindruck. Einmal rund um die Sparbank und ich sah das Ziel direkt vor meinen Augen, auf der anderen Seite des Bachs.



Ziel erreicht.

Rot, mit weissem Streifen, genau so, wie ich sie aus meiner Fffitrine zuhause kenne, einfach siebenundachzig mal grösser. Ziel erreicht! Der Huldigung stand somit nichts mehr im Wege. 

So nahm ich mir die nächsten zwanzig Minuten Zeit, die Lok von allen Seiten ausführlich zu betrachten, und wie Ihr seht, auch zu fotografieren.





die VL 13 der Gelnhäuser Kreisbahnen.


Leider wurden irgendwann fast sämtliche Lampen an den Fronten zerstört, und an einigen Stellen hat sie Moos angesetzt, aber im grossen Ganzen macht sie optisch einen durchaus anständigen Eindruck. Birsteins Hunde allerdings! Wie können sie ausgerechnet diese Wiese als Klo benutzen? Abgesehen, dass ich beinahe in Hundescheisse getreten wäre, liebe Hunde, das ist ein Sakrileg höchsten Grades! Ich lass‘ Euch ja auch Eure Hydranten, so lasst mir doch wenigstens die VL 13 der Gelnhäuser Kreisbahnen. Also wirklich!





noch mehr VL 13.

Dann war es auch schon wieder an der Zeit den Heimweg anzutreten. Weg vom MaK und Hundehaufen. Ein Bus der Linie MKK 72 - die allerdings als 71 angeschrieben war, und so wenig wie die 72 auf der Stationstafel Erwähnung findet - brachte mich nach Wächtersbach, ungefähr dem Streckenverlauf der ehemaligen Vogelsberger Südbahn folgend.



Rückreise im Bus ab einem trostlosen Busbahnhof.


Auf der anderen Talseite konnte ich während der Fahrt stellenweise das Trasse der Vogelsberger Südbahn erkennen, die heute als Veloweg ihr Dasein frönt.



Orte, teilweise mit Weltruf...


In Wächtersbach selbst konnte ich vom Bus aus auf die Schnelle nichts erkennen, was für mich nach Artefakten dieser Kleinbahn aussah.



ehemaliges Wartehäuschen der Bahn nach Bad Orb.


Im Bahnhof Wächtersbach allerdings, dort ist zumindest noch das Wartehäuschen der Bahnlinie nach Bad Orb erhalten. Diese Strecke ist heute eine dampfbetriebene Schmalspurbahn.


Die Heimfahrt verlief bis jetzt - ich befinde mich gerade zwischen Stuttgart und Böblingen - äusserst angenehm und mehr oder weniger pünktlich. Ein etwas längerer Aufenthalt in Frankfurt am Main gab mir die Zeit, den Bahnhofskiosk heimzusuchen. Ich fand dort Band 35 von „die Kleinbahn“. Früher ein Grund auf Reisen in Deutschland sämtliche Bahnhofskioske nach neuen Ausgaben zudurchwühlen. Mir war gar nicht bewusst, dass es diese Zeitschrift noch gibt. Offenbar unter neuer Herausgeberschaft und zum Guten überarbeitet. 



Strecke nach Bad Orb. Schade, hat man das „Hollywood-Sign“ entfernt.


Was habe ich für Eindrücke von meiner Bahnfahrt von Süden ins Zentrum Westdeutschlands und wieder zurück? Ehrlich gesagt: gemischte.

Wahrscheinlich trägt das Wetter die Hauptschuld dafür, aber ich fand vieles recht trostlos. Allerdings: was man aus dem Zugfenster, oder beim Umsteigen an den Bahnhöfen und Stationen sieht, ist doch das Schaufenster des jeweiligen Transportunternehmens. Warum wird diesem Schaufenster nicht mehr Beachtung geschenkt? Das Transportmittel kann innerlich und äusserlich noch so durchdesignt und lifestylisch daherkommen, wenn ich aber nur über versifften Bahnhöfe und Stationen zu ihm gelangen kann, beziehungsweise an einem solchen Ort umsteigen oder meine Reise abschliessen muss, bleiben von einer ansonsten angenehmen Reise womöglich nicht allzuviele Positive Vibes. Vielleicht wäre mein Eindruck bei Sonnenschein und weniger beissend-kalten Wind besser gewesen.



Hochsicherheitsbahnhof Baden-Baden?

Von dieser Reise werden mir natürlich auch viele Positive Dinge in Erinnerung bleiben:

Die Deutsche Bahn zeigte sich auf dieser Reise fahrplantechnisch von ihrer besten Seite;  ich  habe beispielsweise alle Anschlüsse problemlos und ohne Stressfaktor erreicht. Die Leute, mit denen ich zutun hatte, waren wirklich nett und hilfsbereit. 

Auch wenn es bei den kleinen Details noch hapert, die Digitalisierung des öffentlichen Verkehrs hat wirklich einige Vorteile für die Beförderungsfälle.

Ich habe gestaunt, über die abertausend Tonnen Güterfracht, die mir auf den Nachbargleisen begegnet sind.

Deutschland wäre ein schönes Land mit ganz viel Platz, jedenfalls im Vergleich zur Schweiz, ich glaube, es gäbe Orte dort, an denen es mir gefallen könnte. 

Und vor allem: ich habe eine Lokomotive der Gelnhäuser Kreisbahn live und in Farbe gesehen! 🙂



Entering Frankfurt at Main.


Ich werde zwar am Abend aufgekratzt von siebentausend Eindrücken im Kopf und trotzdem hundemüde ins Bett fallen, ich habe aber richtig Lust auf weitere Bahnabenteuer bekommen. Dank elektronischen Buchungen und Fahrplanauskünften kommt man heute ja fast in alle noch so abgelegenen Ecken dieser Welt. Ob ich mir wieder einmal ein Interrail kaufen und die Welt aus der Bahn erkunden sollte? Es gäbe da ja noch einiges zu erkunden, was ich persönlich als erkundungswürdig ansehe. Vieles dabei hat selbstverständlich einen Bahnbezug und wäre Blog würdig... 😉



Heimfahrt mit Stil: ein ganzes Abteil zwischen Frankfurt und Stuttgart für mich alleine.

Übrigens, wer noch mehr über die Vogelsberger Südbahn erfahren, HIER gibt es ein spannendes pdf-File zur Geschichte. Leider sind die Bilder schlecht bis gar nicht beschrieben. Und trotz der Aufzählung des Rollmaterials, die drei MaKs finden keine Erwähnung. Was soll ich dazu noch sagen? 



Ende.


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