Ein Nachruf
Es war inzwischen eine liebgewordene Tradition: immer im Herbst tigerte ich an einem Wochenende nach Bauma im Tösstal; meist schon am Freitagabend und meistens zusammen mit Herr K. aus Z. Der Anlass: die „Plattform der Kleinserie“, an welcher kleinen Herstellern von kleinen Zügen die Möglichkeit geboten wurde ihre Werke dem Publikum vorzustellen.
Es gab nur einige wenige Male an denen ich schwänzte. Einmal, da waren Herr K. aus Z.und ich am Freitag noch ausgiebig in Bauma, um anderntags noch nach Oslo zu fliegen; natürlich ebenfalls mit modellbahnerischen Absichten! Ja, die „Plattform“ hatte über die Jahre in meinem Kalender etwa die selbe Bedeutung, wie Weihnachten und Geburtstage.
Es gab auch immer etwas zu entdecken im Zürioberland. Einmal, ich kann mich noch daran erinnern, als wäre es… Nein, nicht gestern, aber vor nicht allzu langer Zeit… Da Stand ich vor den Fffitrinen von H-R-F, mir stockte der Atem, aber das Herz raste. Da standen doch tatsächlich noch in blankem Messing Modelle der Ed 3/4; für meinen Kleinbahner-Geschmack eine der schönsten Dampfloks schlechthin. Ein solches Modell gelangte einige Jahre später in meine Sammlung; die Firma H-R-F gibt es leider nicht mehr.
Das Modellbaustudio Born präsentierte an dieser Veranstaltung immer auch seine Neuankündigungen. Und für mich hiess das jeweils: Sparschweinchen mästen. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich dort Herr Born, oder einem seiner beiden damaligen Mitarbeitern, auch meine ganz speziellen Wünsche offenbarte, aus einem der dort neuangekündigen Modelle mir doch bitte ein Weineggbahn-Modelle zu kreieren. Um wenigstens nicht mit dieser Tradition zu brechen, habe ich am letzten Freitagabend meinen Wunsch angemeldet, Herr Born möge mir doch bitte einen Sputnik in den Farben der Weineggbahn herstellen. Das entsprechende Modell stand als Prototyp aus Messing schon in seiner Fffitrine.
Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als Herr K. aus Z. und meine Wenigkeit, nach ausdehntem Naseplattdrücken an den zahlreichen Fffitrinen und einer Stärkung im Festzelt mit den Angeboten der Dorfvereine, mit den Taschen voller Prospekte und das Hirn voller Träume durch das herbstlich-nächtliche Zürioberland heimwärts fuhren; aufgeregt Prioritäten setzend, für was wir unsere Sparschweinchen in den folgenden Monaten mästen.
Dann waren da auch immer noch andere Anbieter, von denen das eine oder andere Angebotene an einem solchen Abend den Weg aus Bauma ins heimische Modellbahnzimmer antraten. Laser-Creation aus dem Welschland hatte mich beispielsweise mit dem zwei-ständigen Depot für das Vorgänger-Weinegg versorgt. Oder mit den Empfangsgebäude von Ei, welches nicht grösser ist, als der Name der Bahnstation selbst. Nur so nebenbei: mit dem habe ich grosse Pläne in naher Zukunft.
Der Stand von Pirovino aus der Bündner Herrschaft war auch immer ein fixer Anlaufort. Mehr für Herr K. aus Z. als für mich. Seit diese rührige Firma die Vertretung von ASOA übernommen hatte, verliess ich diesen Stand auch mit zum Teil recht schweren Einkäufen. Beides leider auch Geschichte: Herr und Frau Pirovino waren dieses Jahr nicht in Bauma, und ASOA ist offenbar auch dabei sich leise aus der Modellbahnerwelt zu verabschieden.
Da man sich als Modellbahner auch über das Vorbild schlau machen muss, haben über die Jahre auch einige Vertreter der schreibenden und verlegenden Zunft ihre Zelte in Bauma aufgeschlagen. Oder zumindest einen Stand belegt. Der Stand von Christian Ochsner war immer Teil unseres Beutezugs durch Bauma. Als Fan von Eisenbahnen und dessen Modellen - und als einigermassen ökologisch denkender Zeitgenosse - wäre die An- und Abreise an eine solche Veranstaltung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eigentlich Pflicht. Aber wie soll das gehen, wenn man auf dem Nachhauseweg die ergänzten Vorräte von ASOA aus reinsten Mineralien und die Druckerzeugnisse von Ochsner im Gepäck hat?
Einmal, da absorbierte das keine Bauma im Zürioberland wahrscheinlich alle ferrophile Energie aus einem weiten Umkreis, fast wie ein erloschener Stern im Weltall. Denn es wurde an diesem Wochenende noch parallel ein Fremo-Treffen in einem anderen Schulhaus im Ort durchgeführt. Ansonsten war die Veranstaltung eigentlich darauf ausgerichtet, dass die Branche der Kleinserienhersteller ihre Produkte präsentieren können. Modellbahnanlagen hatten keine Priorität, wahrscheinlich hätte es auch am entsprechenden Platz gemangelt, herrschte doch auch so oft ein Gedränge in den Korridoren des Schulhauses; vergleichbar mit der Neunuhrpause an einem Wochentag ausserhalb der Ferienzeit. Das Publikum ist an der Plattform der Kleinserie einfach etwas älter und bewegt sich schwerfälliger. Nichtsdestotrotz haben sich hin und wieder ganz ansehnliche Modellbahnanlagen an diese Veranstaltung verirrt.
Der Grund, warum man diesen nur bedingt zentralen Ort für die jährlich wiederkehrende Veranstaltung gewählt hat, war dem Umstand geschuldet, dass der Dampfbahn-Verein Zürcher Oberland ebenfalls in Bauma zuhause ist und von dort eine wunderschöne Museumsstrecke durch die Zürcher Oberländer Hügel nach Hinwil betreibt. Über viele Jahre bot der DVZO parallel zur Plattform der Kleinserie ein spezielles Programm an. An diesen Wochenenden waren nicht selten auch andere Museumsbahnen zu Gast, und es wurde im Tösstal und zwischen Bauma, Bäretswil und dem oberen Glatttal aus dem vollen geschöpft. Mein Programm bestand an diesem Wochenenden oft aus „Plattform der Kleinserie“ am Freitagabend und Museumsbahn an einem der beiden folgenden Tage.
Mit dem Umbau des Bahnhofs in Bauma auf S-Bahn-Standard - was mit der Reduktion des Gleisplans und dem Entfernten von zahlreichen Weichenverbindungen und der Steuerung der verbliebenen von weit her verbunden war - konnte ein erweiterter Museumsbahn-Betrieb in diesem Umfang nicht mehr durchgeführt werden. Auch wenn ich beiden Veranstaltungen separat besuchte, finde ich doch den Wegfall dieses Musemsbahn-Anlasses doch auch schade.
Doch was schreibe ich da? Ich habe beide Veranstaltungen nur als reiner Konsument besucht. Mir ist durchaus bewusst, dass solche Veranstaltungen mit einem immensen personellen Aufwand verbunden sind, und dass bei Weitem nicht alle Aufwendungen auf das Publikum abgewälzt werden können. Jetzt auf die Tränendrüsen zu drücken und mich darüber zu beklagen, dass Andere für mein Vergnügen einen Teil ihrer Freizeit opferten, wäre falsch. Tja, Bauma als Mekka der Ferrophilen wird definitiv Geschichte sein, in zwei Jahren soll es wieder eine ähnliche Ausstellung geben, allerdings in Balsthal. Ich werde mit grösster Wahrscheinlich vorbeischauen. Und den DVZO besuche ich mindest einmal jährlich ebenfalls als zahlender Konsument; bevorzugt, wenn etwas ausserordentliches geboten wird. Ich möchte an dieser Stelle all den Leuten herzlich danken, welche mir in den vergangenen Jahren immer schöne und unvergessliche Wochenenden im Zürioberland ermöglicht haben. Egal, ob im Original, oder auf eine Wohnzimmer-kompatible Grösse geschrumpft. Danke Euch allen!
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