Hoch oben
Könnt Ihr noch an meinen Post über die Rjukanbahn erinnern? Diese norwegische Bahn, die an keinem ihrer beiden Endpunkte an ein anderes Eisenbahnnetz angeschlossen ist? Heute geht es um eine ähnliche Situation ganz weit oben in den Berner Alpen.
Als in der Belle Epoque speziell Engländer das Bedürfnis hatten, möglichst jeden Berg zuerst zu besteigen, dann mit einer Bahn zu erschliessen, und schliesslich in riesigen Hotels bei Tea, Whisky und Gurkensandwiches dem gehobenen Life Stile zu frönen, bot sich die Region rund um Eiger, Mönch und Jungfrau geradezu an. Darum wurde diese Gegend mit einem Bahnnetz überspannt, um das manche Metropolregion neidisch werden könnte.
Eine dieser Bahnen nennt sich Bergbahn Lauterbrunnen - Mürren und verbindet als Gesamtes die beiden namensgebenden Orte, wobei in Lauterbrunnen sowohl Anschluss an die meterspurige Berner Oberland-Bahn nach Interlaken Ost besteht, als auch an die Wengnernalp-Bahn mit 800mm Spurweite. Wer zur Jungfraubahn und ihrem höchstgelegenen Bahnhof auf dem europäischen Kontinent gelangen will, muss zuerst mit der Wengnernalp-Bahn fahren.
Beim nördlichen Ende des Bahnhofs von Lauterbrunnen befindet sich, in einem eher unscheinbaren Gebäude, die Talstation einer Luftseilbahn, dem ersten Teil der Bergbahn Lauterbrunnen - Mürren. Diese überwindet rund 700 Höhenmeter und endet auf der Grütschalp. Und dort beginnt die sehr schön trassierte Meterspurbahn, die über nicht ganz viereinhalb Kilometer eine Höhendifferenz von ungefähr 150 Metern überwindet und eingangs Mürren endet. Mürren ist weitgehend autofrei und die Ver- und Entsorgung geschieht zum allergrössten Teil über diese Luft- und Meterspurbahn-Verbindung. Bei meinem letzten Besuch waren die kleinen Güterwagen, die jedem Triebwagen vorgestellt sind, in beiden Fahrrichtungen mit allem Erdenklichen beladen, von Bierfässern über Reisegepäck und Kinderwagen bis Bauschutt und andere Dingen, die man in Mürren tagtäglich braucht. Oder eben nicht mehr.
Die Trassierung dieser Bahnlinie führt einmalig schön durch Nadelwälder und über Alpwiesen. Manchmal auch auf Brücken über Bäche und Einschnitte. Bei der einzigen, schon auf barrierefrei getrimmten Zwischenstation in Winteregg befindet sich ein Ausflugsrestaurant mit einer atemberaubenden Aussicht auf Eiger, Mönch und Jungfrau auf der gegenüberliegenden Talseite.
Weil der Zahn der Zeit schon fleissig am Rollmaterial der BLM genagt hat, steht deren Ablösung unmittelbar bevor, was mit der Modernisierung der Strecke einhergeht. Auch hier im Zusammenhang mit dem Stichwort Behindertengleichstellungsgesetz. Der Zweck dieser Reise war darum, noch einmal in den schönen, alten, nostalgischen Triebwagen über die engen Kurven von der Grütschalp nach Mürren und wieder zurück geschaukelt zu werden.
Und die Fahrt über diese Bahnlinie, ohne Anschluss an ein anderes Eisenbahnnetz, hat sich gelohnt. Aufgrund der Belegung der Züge hauptsächlich mit Touristen aus allen Herren Ländern und noch einigen mehr, und ihrer Erschliessungsfunktion von Mürren, wird man sich keine Angst um die Zukunft der BLM machen müssen, auch wenn mit den neuen Stadler-Zügen wieder etwas Bahnnostalgie verloren gehen wird.
Modellbahntauglichkeit? Ja, absolut. Die kurzen, triebwagengerechten Gleispläne, die engen Kurvenradien und die Landschaft neben den Gleisen würden sich bestens zum Nachbau eignen. Man könnte sogar den doch recht intensiven Güterverkehr mit den Umladetätigkeiten an beiden Endbahnhöfen nachbilden. Stand Sommer 2022 dürfe man erst noch eine Diesellok einsetzen. Der einzige Wermutstropfen: es gibt keine passenden Triebwagen. Entweder sind die, die in H0m erhältlich sind zu hauptbahnig, oder zu sehr Tram.
(Und ich hatte wieder einmal mit dem Zeilenabstand zu kämpfen... 😡)
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