Weit, weit entfernt
Als bekennender Fan von MaK-Diesellokomotiven und MAN-Triebwagen, der ich nun einmal bin, stolperte ich immer wieder über eine Bahngesellschaft in Schleswig-Holstein, deren Rollmaterial teilweise exakt meinem Geschmack entspricht: der Verkehrsbetriebe des Kreises Schleswig. Und es gibt gewisse Parallelen zwischen dem Rollmaterial dieser Privatbahn im hohen Norden und der Weineggbahn bei mir im Bastelzimmer.
Dieses Unternehmen beschäftigte sich nicht nur mit Bahnverkehr, auch auf der Strasse waren es aktiv. Es gibt es heute noch, 1975 hiess es zuerst Verkehrsbetriebe des Kreises Schleswig-Flensburg, dann später Verkehrsgemeinschaft Schleswig-Flensburg und heutzutage sind sie nur noch mit Bussen unterwegs. Auf einer der ehemaligen Strecken, zwischen Süderbrarup und Kappeln liegen noch Gleise, die von der Angelner Museumsbahn befahren werden.
Aber damals, was hatten die für einen Rollmaterial-Bestand! Zum Beispiel MaK-Loks in allen Grössen: eine 1000 D, eine etwas schwächere 650 D und drei 250 C (Nummer 32, Nummer 33 und Nummer 35.) Genau wie meine Weineggbahn, hatte die VKS 240 C mit eckigem Führerhäuschen und mit dem Führerhaus im klassischen MaK-Design.
Real-Modell, wo meine beiden MaK hergestellt wurden, hatte ebenfalls beide schleswiger MaKs-Versionen im Programm, und sie sehen den beiden Weineggbahn-Loks sehr ähnlich. Wahrscheinlich eher: die Weineggbahn-Loks sehen denen der VKS sehr ähnlich.
Diese Privatbahn, welche übrigens einmal ein sehr ansehnliches Streckennetz besass und laut den Bildern, die mir bekannt sind, auch schöne Gegenden befuhr, besass selbstverständlich zwecks Beförderung von Passagieren auch Personenwagen.
Eine Donnerbüchse mit der Nummer 27 besass sie allerdings nicht. Ganz ähnliche Wagen allerdings schon. Welcher Wagen den genau dem Modell von Fleischmann Pate stand, weiss ich nicht. Hatten die VKS-Wagen tatsächlich auch Dächer in der Wagenfarbe? Meines Wissens waren die Dächer anfänglich klassisch-silbergrau, mit der Zeit wiesen sie ein ebenfalls weitverbreitetes Schmutzig-Grau auf. Die Fleischmann-Donnerbüchse erinnert mich eher an einen französischen Triebwagen-Beiwagen, denn solche hatten genau dieses Farbschema. Und ich meine, es gab auch deutsche Donnerbüchse, die in der Grande Nation hinter französischen Triebwagen durchs Land gezogen wurden.
Wie dem auch sei. Als Fleischmann vor vielen Jahren diesen Wagen als Sonderserie anbot, griff ich schamlos zu. Ich reiste dafür sogar noch extra nach Deutschland, weil in der Schweiz solche Dinge im Vorinternetzeitalter nicht erhältlich waren. Und weil mich letztes Jahr an der Faszination Modellbau in Friedrichshafen ein anderes Modell mit grossen Augen ansah, als wolle es sagen: ‚bitte, bitte, nimm mich mit‘, habe ich nun eben zwei Modelle des Personenwagens Nummer 27 der Verkehrsbetriebe des Kreises Schleswig.
Zur Erneuerung ihres Triebwagenbestandes - man besass diesem Zeitpunkt nur zwei DKW-Triebwagen Baujahr 1925 beziehungsweise 1926 - leistete man sich an der Ostseeküste 1958 einen zweiachsigen Triebwagen aus dem Hause MAN. In den Farben Rot und Beige. Genau fast so, wie die Triebwagen der Hohenzollerschen Landesbahn. Und weil ein Modellbahnhändler aus dem Stuttgarter Umland für seine Kundschaft bei Brekina entsprechende Modell auflegen liess, habe ich auch einen rot-beigen MAN-Triebwagen im Massstab 1:87. Der zwar genau so kompromissbehaftet ist, wie die beiden kleinen MaK-Dieselchen und die äusserst fantasievollen Donnerbüchsen. Aber was soll‘s? Ich kann zumindest einen Blog-Eintrag zum Thema Verkehrsbetriebe des Kreises Schleswig schreiben. Und zudem bin ich der festen Überzeugung, je weiter die Entfernung zum Originalobjekt, um so grösser sind die erlaubten Kompromisse. Von mir zuhause nach Schleswig sind es rund 1000 Kilometer, somit habe ich gemäss dieser Theorie eine richtige Sammlung an Modellen nach Vorbild der Schleswiger Kreisbahn. Auf den Bildern ist noch das Modell eines Fakultativwagen von Fleischmann zu erkennen; die VKS hatte einen ganz ähnlichen Gepäckwagen.
Wenn ich jeweils mit dem Auto nach Skandinavien fuhr, nahm ich oft den Autozug nach Hamburg und dann die Fähre von Kiel nordwärts. Weil der Autozug jeweils zu schon fast unchristlicher Zeit in Hamburg ankommt und die Fähre im Laufe des Tages in Kiel ablegt, hatte ich immer mehr als genug Zeit um mich rund um den Kieler Hafen zu langweilen. Warum bin ich nie auf die Idee gekommen, einmal in Schleswig, in Süderbrarup oder in Kappeln vorbeizuschauen? Das nächste mal werde ich es tun, und bei der Überarbeitung dieses Eintrags kann ich dann vielleicht sogar noch Bilder von Originalschauplätzen beifügen. Leider nicht mehr dieses Jahr.
Gemäß dem Buch von Ludger Kenning "Damals bei der Schleswiger Kreisbahn" gab es dort den Wagen 27 (Wagonfabrik Gotha 1922), ex DB Cid Hamburg 80 534 - eine Vorserien Donnerbüchse) ab dem 19.03.1957. Es gibt auf Seite 111 ein s/w-Foto von 1961, was den Wagen mit grauem Dach zeigt. Ein s/w-Foto auf Seite 90 von 1959 zeigt den Wagen 27 halb hinter dem VT 5 (MAN-Schienenbus) - da ist das Dach erheblich heller, aber vermutlich nicht Fleischmanns Beige, sondern eher silberfarben.
AntwortenLöschen