Winterreise

Wahrscheinlich kennt Ihr diese Situation: Sonntagmorgen, Temperaturen draussen um den Gefrierpunkt, neblig. Und die brennende Frage: soll ich wirklich aufstehen? Bei Hundehaltern erübrigt sich diese Frage bekanntermassen. Da es sich bei meinen einzigen tierischen Mitbewohnern um Fruchtfliegen ohne Mitspracherecht handelt, blieb ich liegen. Über WLAN verband ich mich mit der Welt draussen vor den Rollläden, und ich fand schlussendlich sogar einen Grund aufzustehen.




Nach dem intensiven Studium diverser Newsportale kam ich zum Schluss, dass sich auf der Erde nichts geändert hat und wandte mich den wichtigen Informationsquellen zu: Eisenbahn- und Modellbahnforen.





Die Neuigkeit mit dem grössten Inpact war, dass am heutigen Sonntag in einer Bocciahalle in Höri, einem Ort im Zürcher Unterland, in der Anflugsschneise des Flughafens Kloten (Grüsse an alle Follower niederländischer Sprache) eine Modellbahnausstellung eines Vereins aus Bülach stattfindet. Für alle Freunde Schweizer Ortsbezeichnungen, es gibt auch noch Bachenbülach

Wegen Ortsbezeichnungen wie Zürich, Chur, Chloten, Bülach und Bachenbülach haben wir es übrigens das Ricola erfunden.




Dieser Verein baute in besagter Bocciahalle seine Modulanlage auf. MAS60 ist das Zauberwort. Da wir Schweizer bekanntlich Mühe bekunden, uns paneuropäischen Gepflogenheiten anzupassen, gibt es selbstverständlich in der Schweiz auch eine eigene Modulnorm. FREMO existiert natürlich auch noch und wir haben wider Erwarten Rechtsverkehr auf den Strassen.




Fazit der MAS60-Modulanlage? Ich muss hier Herr K. aus Z. sinngemäss zitieren: bei Arrangements mit Modulen gibt es immer sehr schöne Abschnitte und solche, deren Erbauer über weniger ausgeprägte, feinmotorische Qualitäten verfügen.




Das Gros der Module an dieser Ausstellung in Höri hat aber qualitativ ein hohes Niveau. Klar, man sieht die Handschrift der einzelnen Erbauer, was mir aber auch gefällt. Wie man auf den Bilder sieht, über alles betrachtet, ein Arrangement, mit schönen Modulen.

Zurückblickend glaube ich sogar auf keinem einzigen Modul die Farbenfabrik von Kibri erspäht zu haben.




Die Länge der Züge, die auf Brusthöhe über der Bocciabahn ihre Runden drehen, entsprechen in der Länge zwar nicht ganz dem, wie sie auf der Weineggbahn hoffentlich eines Tages verkehren wird. Ich denke allerdings, dass dies einer der Reize von Modulanlagen ausmacht: Man kann Züge in solchen Längen auf ausgedehnten Strecken fahren, wie es in der heimischen Stube kaum je möglich sein wird. Ausserdem: ein einzelnes Modul lässt sich durchaus in der heimischen Stube mit überblickbarem zeitlichem und finanziellem Aufwand erstellen. Und gemeinsames Spielen kann auch schön sein, wie die Gesichtszüge der Mitglieder des MBCZU an diesem ansonsten unfreundlichen Sonntag bewiesen.





Jetzt sitze ich im Restaurant des gastgebenden Bocciaclubs, habe mir eine Portion Penne Gorgonzola zu Gemüte geführt und schreibe diesen Text.

Aufstehen hat sich an diesem Sonntag definitiv geloht. Es hat somit auch sein Gutes, wenn sogar der innere Schweinehund bei diesem Wetter Gassi gehen will.




Einen Blick in die Runde lässt mich ausserdem zum Schluss kommen: für alle, die mit Frauenquoten und Frauenförderung Mühe haben; die Modellbahnerei scheint eine der letzten Bastionen zu sein, in der wir gestandene Mannsbilder uns noch ungestört entfalten können! 

Herzliche Gratulation zum Achtzigsten, Alice Schwarzer




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