Wer steigt hier aus?


Ich! Und ich bin sogar eine knappe Stunde später wieder eingestiegen. Und ausser mir? Selten jemand. Einmal habe ich tatsächlich jemand aussteigen sehen, aber sonst…




Warum Ftan-Baraigla überhaupt bedient wird, ist mir ein Rätsel. Nicht, dass mich das speziell stören würde, verdanke ich diesem Umstand eine Stunde Unterengadin, mit allem was dazugehört: Schmetterlinge in allen Farben und Formen, alle Gattungen Ameisen und anderer Krabbeltieren und viel Vogelgezwitscher.





Die Tatsache ist die: Ftan-Baraigla liegt einige saftige Höhenmeter, die gewaltig in die Beine gehen können, unterhalb vom Dorf Ftan. Um dorthin zu gelangen, könnte man den Trampelpfad aufwärts durch Gestrüpp und über Wiesen nehmen, oder man folgt der schmalen Naturstrasse bis zur Hauptstrasse hoch. Dort an der Hauptstrasse hätte es eine Haltestelle der Postauto-Linie nach Ftan. Das Postauto fährt allerdings ab Scuol-Tarasp, eine Bahnstation weiter talabwärts. Bragalia selbst besteht aus dem Bahnhofsgebäude, einem Bahnwärterhäuschen und etwas Landwirtschaft weiter unten. Da schwer anzunehmen ist, dass die dort lebenden Schafe, Ziegen und Hühner oft per Zug verreisen, bleiben nur die wenigen Zweibeiner übrig, die dort ebenfalls zuhause sind. Einer von denen ist gerade im Suzuki Jimny vorbeigefahren; wohl eher auch kein regelmässiger Bahnkonsument.





Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was ich an einem derart verlassenen Bahnhof mache? Das verhält sich so: ich bin hin und wieder einmal im Unterengadin. Entweder per Automobil, oder per Eisenbahn. Und Ftan-Baraigla hat mich immer fasziniert: ablegen und nostalgisch. Ich war auch schon per Auto dort, wollte aber unbedingt einmal dort aus- und dann eine Stunde später wieder einsteigen. Immerhin hält dort jede Stunde ein Zug Richtung Scuol und einer Richtung Samedan und Pontresina.





Abgehakt! Ich tat es! Denn es stellt sich die Frage, wie lange ein- und aussteigen dort noch möglich sein wird. Ftan-Baraigla ist etwa so behindertengleichstellungsgesetzkonform, wie die Klettertour über die Eiger Nordwand. Letztere ist wahrscheinlich besser frequentiert, was wiederum bedeuten könnte, dass die Rhätische Bahn die Kosten zum Ausbau Ersterer scheuen könnte. Und die Bedingung spätestens 2023 einstellt.





Ftan-Baraigla als Modellbahn? Und wie! Unterengadiner Linie as its best! Im Osten kommt sie aus einem Tunnel, dann rechterhand ein typisches Bahnwärterhaus, dann der eigentliche Bahnhof, der einmal genial gewesen sein dürfte: klassisches Engadin-AG mit Natursteinmauer im Rücken und vermutlich dem Standard-Gleisplan dieser Linie…





Nein, wir sind noch nicht fertig, denn nun folgt ein Bahnübergang und eine Szene wie aus dem Bilderbuch mit stattlicher Brücke über eine Schlucht im Vordergrund und dem Weg nach Ftan, der sich der Topographie anschmiegt und den Bach mit einem kleineren Bauwerk überbrückt.





Alle Bauwerke gibt es mehr oder weniger vorbildgerecht im H0-Massstab, geschweige vom Rollmaterial! Dort gibt es wirklich alles, was je im Unterengadin unterwegs war! Hätte ich doch nur eine Turnhalle, ganz viel Geld und noch mehr Zeit…





Nachtrag vom 09. November 2022: Ich bin im weltweiten Netz dieser schönen Postkarte des Bahnhofs Ftan-Baraigla über den Weg gesurft. Die muss ich einfach hier noch anhängen.




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