Zürichs rote Bähnchen. Teil 1: die Dolderbahn

In nächster Zeit werde ich hier nach und nach Zürichs rote Bähnchen vorstellen. Ob chronologisch, oder in lockerer Abfolge, weiss ich noch nicht. Beginnen möchte ich mit der Dolderbahn, welche die Stadt mit einer exquisiten Wohngegend, einem Luxushotel und einen Naherholungsgebiet verbindet.



Bhe 1/2 1 bei der Ausfahrt aus der Bergstation. 


Der Zürichsee mit der Stadt Zürich am westlichen Ausfluss liegt zwischen zwei Hügelzügen, die hauptsächlich aus Ablagerung eines Gletschers bestehen. Ausserhalb der Stadtmauern, entlang dieser Bergrücken, bildeten sich schon früh Dörfer, die nach und nach mit der Stadt zusammenwuchsen und heute Teil der Stadt sind. 




Zugang zur Bergstation. 


Die Quartiere, bzw. die ehemaligen Dörfer OberstrassFluntern und Hottingen an den Südhängen von Zürichberg und Adlisberg entwickelten sich zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts zur bevorzugten Wohnlage für besser betuchte Zürcherinnen und Zürcher. Noch heute stehen in dieser Gegend wunderschöne Villen mit Gärten und altem Baumbestand, und oft einzigartigem Blick über die Stadt, den See und bei schönem Wetter bis in die ferne Bergwelt.




Bergstation. 

Zur Entwicklung dieser Gegenden gehörte auch, dass man sie um 1900 mit zeitgemässen Transportmitteln ausstattete. Neben einigen, damals noch privaten Tramlinien, wurden auch drei Standseilbahnen gebaut: die Seilbahn Rigiblick, die kurze Polybahn und die Dolderbahn, um die es hier und heute geht.

Neben der Erschliessung des Wohnquartiers kam der Dolderbahn noch zugute, dass am Waldrand des Adlisbergs zwei Hotels gebaut wurden. Das Waldhaus Dolder und das Grandhotel Dolder, deren Namen sich von Flurbezeichnungen ableitet.




Talstation am Römerhof.


Die 1895 eröffnete Standseilbahn führte vom Römerhof - einem Platz in Hottingen auf knapp 450müM - über 800m zum ungefähr hundert Meter höher gelegenen Hotel Waldhaus. Vier Jahre später wurde weiter oben am Berg noch das Grandhotel Dolder eröffnet und mit einer Strassenbahnstrecken mit der Standseilbahn verbunden. Dieses Tram hatte nur einen einzigen, zweiachsigen Triebwagen, eine einzige Weiche und keine Verbindung zum übrigen Strassenbahnnetz.




In den Häuserfluchten der Grossstadt.

Weder das Grandhotel, noch die dazugehörige Strassenbahn waren in den ersten Jahren finanziell besonders erfolgreich und teilweise nur in den Sommermonaten geöffnet. In den Jahren nach 1930 wurden vom Hotelbetreiber auf einer offenen Fläche im Wald nördlich des Hotels im Winter eine Kunsteisbahn und im Sommer ein Wellenbad betrieben. Das Freibad hatte bis vor wenigen Jahren eine mordsmässige Maschine, mit der man im Schwimmbecken Wellen erzeugen konnte. Einmal pro Stunde hornte es, die Liegewiese entvölkerte sich schlagartig ins Wasser, und das mit halbnackten Zürchern vollgestopfte Schwimmbecken bot einige Minuten richtiges Meerfeeling. Annähernd jedenfalls. Dann war der Spuck vorbei, man verliessen den Pool und widmete sich wieder dem Sonnenbaden, dem Glace essen, oder der verstohlenen Betrachtung weiblicher Rundungen.

Damit der geneigte Städter ohne grosse Anstrengung die beiden Sportstätten erreichen konnte, ersetzte die Betreibergesellschaft das Tram durch einen Bus, der neben dem Grandhotel auch noch Eisbahn und Freibad erschloss.




Zwischen Bergstation und Waldhaus. 

1973 wurde sowohl die Standseilbahn, wie der weiterführende Bus durch eine einzige Zahnradbahn ersetzt, die im unteren Streckenteil das Trassee der Seilbahn benutzt. Im oberen Streckenteil überspannt sie zuerst mit einer Brücke die Kurhausstrasse, auf der früher das Tram verkehrte, und führt anschliessend über eine neu erstellte Bahnlinie bis zur neuen Bergstation zwischen dem Hotel und den Sportanlagen. Die gesamte Strecke ist einspurig und über die ganze Länge mit einer Zahnstange versehen. Sie weisst einzig zwei Weichen in der nicht in der Mitte liegenden Ausweichstelle auf.




Zwischen Bergstation und Waldhaus. 

Auf der 1330m langen Strecke werden zwei Triebwagen eingesetzt, der Bhe 1/2 1 und sein Bruder mit der Nummer 2. Die beiden Triebwagen von SLM/BBC/Gangloff sind seit 1973 ununterbrochen fleissig unterwegs, einzig 2004 wurden sie gleichzeitig mit der ganzen Strecke umfassend revidiert. Nächstes Jahr sollen sie durch zwei neue Triebwagen von Stadler ersetz werden. Ausser der beiden Triebwagen hat die Dolderbahn kein weiteres Rollmaterial. Es war meines Wissens einmal noch ein einachsiger Rolli vorhanden, aber der lebt heute wahrscheinlich als Kotflügel eines VW Golf weiter, oder war inzwischen einmal eine Ravioli-Büchse.




Bhe 1/2 2 in der Bergstation.
Mit Wappen von Hottingen.

Weil ich eine Viertelstunde von der Talstation entfernt aufgewachsen bin, gehörten Fahrten mit der Dolderbahn zu meinen Kindheitserinnerungen mit Bahnbezug. Ich bin auch in einem Spital unmittelbar neben der Talstation zur Welt gekommen; es kann daher nicht ganz ausgeschlossen werden, dass ich nicht vom Storch, sondern von der Dolderbahn geliefert wurde. Dies würde auch die nicht von der Hand zu weisende Ähnlich der Farbschemen von Dolderbahn und Weineggbahn erklären. Postnatale Prägung ist nicht selten für den weiteren Lebensweg mitverantwortlich.




Auf der Brücke über die Kurhausstrasse.

Jedenfalls habe ich manche Fahrt auf der Holzbank neben dem Führerstand kniend, zwischen Römerhof und Dolder miterlebt, im Sommer zum Grillieren und Spielen im Wald, oder auf dem Weg ins Wellenbad; im Winter zum Schlitteln oder wenn beim Förster der Christbaum geholt wurde. Mit Schlittschuhlaufen hatte ich es nie so besonders. Inzwischen wohne ich nicht mehr im unmittelbaren Einzugsgebiet der Dolderbahn, und meine Fahrten sind nicht mehr sehr zahlreich.

Irgendwie scheint die Zeit auf den 1330m Zahnradgleisen zwischen Hottingen und Adlisberg aber stillgestanden zu sein. Die Bergstation wurde vor einigen Jahren, zusammen mit dem angrenzenden Grandhotel, modernisiert, und die Ausweichstation wurde mit Hightech-Weichen ausgerüstet, aber sonst ist‘s noch fast wie früher. Sogar die Jungs, die in den Triebwagen stürmen, damit sie vorne rechts neben dem Führerstand auf die Holzbank knien können, gibt es noch.




Mein Stammplatz in der Kindheit. 


Da ich wie die meisten Menschen lieber bergab als bergauf gehe, fuhr ich an einem schönen, warmen Maientag bergwärts. Zusammen mit einer Rasselbande kleiner Bahnfans und ihren Kita-Betreuerinnen. Ich überliess der Jugend diskussionslos den Platz in der Front neben dem Führerstand.




Oberhalb Waldhaus.

Oben angekommen trennten wir uns, die Kleinen in den Wald, ich dem Trasse entlang wieder zurück bergab Richtung Römerhof. Ich frage mich allerdings: wieviele Kita-Kinder bleiben nach einem solchen Ausflug im Wald zurück? Kommen tatsächlich alle wieder heim, oder müssen wir bald mit einer Generation Wolfskinder rechnen? In den Wäldern um Zürich wären es wahrscheinlich eher Reh-Kinder, oder Eichhörnchen-Kinder; erstere übrigens vegan aufgezogen.




Zwischen Waldhaus und Bergstation.

Der obere Streckenabschnitt verläuft durch einen schönen Mischwald mit einem grossen Anteil Laubhölzer. Am Tag, als ich unterwegs war, waren es auch noch viele Ameisen und Käfer in allen Grössen und Ausführungen. Und Vögel zwitscherten in jeder erdenklichen Stimm- und Tonlage.




Zwischen Waldhaus und Bergstation.

Die Neubaustrecke von 1973 folgt weitgehend der Topographie mit einigen Kurven, Gefällwechseln und mit einem Gegengefäll vor der Bergstation. Zum Unterqueren einer Waldstrasse, wurde eine Betonbrücke erstellt.




Brücke zwischen Bergstation und Waldhaus.

Bergseits der Station Waldhaus wurde eine Brücke über die Kurhausstrasse gebaut, die einzige Stelle an der die Dolderbahn eine Strasse überbrückt. Auf der ganzen Linie gibt es keine niveaugleichen Übergänge und damit das auch so bleibt, ist der Streckenabschnitt im Wald beidseits mit Zäunen gesichert. Im unteren Streckenabschnitt müsste man sich als Mauerkletterer versuchen, um auf die Gleise zu gelangen.




Brücke über die Kurhausstrasse beim Waldhaus.

Die Station Waldhaus, eine der beiden Zwischenstationen, wurde in den Neubau des Hotels aus den Siebzigern integriert und widerspiegelt den damaligen architektonischen Zeitgeist. Ich kann mich noch daran erinnern, dass die Böden dort mit diesem typischen, genoppten Gummibelag belegt waren. Wahrscheinlich haben sie noch gestunken, als man sie wieder herausriss. Der ganze Hotelkomplex soll in den nächsten Jahren abgetragen und durch etwas Neues ersetzt werden; wahrscheinlich inklusive Bahnstation.




Station Waldhaus.



Unterhalb liegen die Gleise auf dem Trasse der ehemaligen Standseilbahn, mit wenigen Kurven, einer gleichmässigeren Neigung und ohne grosse Gefällwechsel. Zuerst wird die Pilatusstrasse unterquert, deren Brücke angehoben werden musste und darum seit damals nur noch Fussgängern und Velofahrern dient.




Bauarbeiten unterhalb der Station Waldhaus.

Wenige Meter weiter unten folgt die Brücke der Aurorastrasse, gesäumt von Villen mit chicken Vorgärten. Von dieser Brücke hat man einen guten Blick auf die darunter liegende Ausweichstelle mit ihren Hightech-Weichen. Bei diesen werden ganze Gleissegmente inklusive Zahnstangen beim Stellvorgang so gebogen, dass das Gleis in die gewünschte Richtung führt. Diese Weichen scheinen sich seit Jahren zu bewähren, egal ob im heissen Sommer, oder im kalten Winter.




Ausweichstelle mit Hightech-Weiche.



Bei der Ausweichstelle gibt es aus einer Seitenstrasse einen Zugang für Unterhaltsarbeiten, der aber auch solchen wie mir guten Einblick bietet. Dort hat es sogar eine richtige, offizielle Parkbank; der ideale Picknick-Platz für Dolderbahn-Enthusiasten, sofern es solche gibt. Und ich bin dort in Hundekacke getreten! 




Triebwagen 1 in der Ausweichstelle.

Bevor die Titlisstrasse unterquert wird, hält der Triebwagen an der gleichnamigen Station. Meiner Lieblingsstation an der Dolderbahn: verträumt, ein Perron, genau so lang wie einer der beiden Triebwagen, heute eine VBZ-Standard-Überdachung mit Sitzbank, aber früher mit Wellblechdach versehen, und einem ZVV-Billettautomaten, an dem man Billette bestimmt an jede andere Station im Kanton Zürich, neben allen möglichen Abonnementen kaufen kann. Ich frage mich allerdings, wie oft dort ein Ticket gekauft wird, und was die Destinationen sein mögen? Als ich dort war, wartete gerade ein Hund mit Frauchen auf den Zug hinauf in den Wald; ich vermute mal, diese beiden geben den Durchschnitt der Fahrgäste dieser Station recht gut wieder.




Station Titlisstrasse.

Bei der zweitletzte Brücke führt die Bergstrasse über Dolderbahn. Seit die Trolleybus-Linie 33 von Fluntern über den Klusplatz zum Bahnhof Tiefenbrunnen verlängert wurden, gibt es dort sogar eine Bushaltestelle mit den Namen Klosbach, allerdings ohne richtigen Anschluss zur Dolderbahn.




Trolleybus der Linie 33 an der Station Klosbach.


Die letzte Brücke dient der Carmenstrasse, von dieser Brücke aus kann man schon die Talstation am Römerhof erspähen. Die Schweiz ist zwar berühmt für ihre Affinität für Bahnen, aber eine noch grössere Bedeutung scheinen definitiv Banken zu haben. Die Talstation befindet sich nämlich ich einer richtigen Banken-Trutzburg. 1899 unverkennbar im Stil der damaligen Zeit äusserst repräsentativ gebaut, beherbergt das Gebäude noch heute eine jener Grossbanken, die die Schweiz mit ihren Geschäften im eher dunklen Graubereich der Legalität immer mal international ins Gerede bringt.




Talstation am Römerhof.


Der Zugang zur Dolderbahn befindet sich in einem unscheinbaren Durchlass zwischen Hofdurchfahrt und einem Kaffee. Am Römerhof hat die Dolderbahn Anschluss ans städtische Tramnetz Richtung Stadtzentrum, einerseits an den Dreier Richtung Central und Hauptbahnhof, andererseits den Achter Richtung See und Bellevue. Diese Linie trifft auf ihren weiteren Streckenverlauf übrigens noch auf Sihltalbahn und Uetlibergbahn, die aufgrund ihrer Farben später in dieser Serie auch noch in Erscheinung treten werden.




Versteckter Eingang zur Dolderbahn.


Kommentare

Beliebte Posts