Das wäre was gewesen!

Kienberg ist ein Dorf im Kanton Solothurn, auf der Nordseite des Juras und dem Rhein zugewandt. In dieser Ortschaft wurde bis vor wenigen Jahren in industriellem Umfang Gips abgebaut, um dann auf Baustellen in der ganzen Schweiz an Wände und Decken gestrichen zu werden. Wohin er zuerst gebracht werden musste. Und Gips ist bekanntlich schwer. Somit hatten die Fuhrhalter in den Anfangsjahren des industriellen Gipsabbaus einiges zu tun, mit der Folge, dass die Strassen unter den vielen und schweren Fuhrwerken zünftig litten. Wir befinden uns aber am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als es Mode war, abgelegenen Ortschaften und Landstrichen mit einer Kleinbahn zu erschliessen, und dadurch manchmal Transportprobleme zu lösen, die eigentlich gar nicht bestanden.


Vielleicht wäre es so gewesen.

Auch zwischen Kienberg und Frick machte man sich seinerzeit Gedanken, bezüglich dem Bau einer Bahnlinie. Der Bahnhof Frick an der Bözbergstrecke von Zürich nach Basel hätte sich bestens für den Anschluss ans restliche Bahnnetz geeignet. Eine normalspurige Bahn sollte es sein, so hätten die mit Gips gefüllten Holzfässer - Papiersäcke waren damals noch nicht üblich - in Kienberg direkt in Wagen zum Zielbahnhof verlanden werden können. Bei einer Schmalspurbahn wären die Fässer in Frick, unter Anwendung von reichlich Muskelkraft und anschliessenden Rückenschmerzen, nochmals umgeladen worden. Leider war es hier wie so oft: Träume sind Schäume. Trotz des guten Willens und wahrscheinlich viel Grübeln und Rechnen, kam die Frick-Kienberg-Bahn nie über die Planungsphase hinaus. Auch wenn man noch so sparsam plante: es fehlte am Ende das nötige Geld. So gab es in der Schweiz leider nie Rollmaterial, das entweder mit KFB, oder vielleicht mit FKB angeschrieben war.


Orte, die die der Kienbergbahn erschlossen hätte.
Swisstopo, 2022.

Man war sich schon bei der Planung bewusst, ausser für das Gipswerk werden kaum grössere Gütermengen zwischen Kienberg und Frick zu transportieren sein, mit denen man Geld verdienen kann. Man beabsichtige darum, einfach und günstig zu bauen. Von Kienberg aus wäre die Bahnlinie rund 10km dem Wasserlauf von Dorfbach, Altbach und Bruggbach gefolgt und hätte, via die Dörfer Wittnau und Gipf-Oberfrick, den Bahnhof von Frick erreicht. Die Topografie hätte bestimmt im unteren Streckenteil keine grösseren Anforderungen an den Trassenbau gestellt. Es wären auch keine grösseren Brücken notwendig gewesen, auf den Bau von teuren Tunnels hätte man ebenfalls verzichten können, und die Gleisanlagen in den Stationen wären äusserst einfach gewesen. Das übliche eben: ein Durchfahrtsgleich, ein Nebengleis und eines zum be- und entladen von Güterwagen. Laut den spärlichen Informationen, die mir zur Verfügung stehen, wäre ein einheitliches Stationsgebäude für alle Stationen vorgesehen gewesen; eine einstöckige Holz-Konstruktion bestehend aus einem Warteraum und einem Gütermagazin. Optisch ähnlich zu den Gebäuden, wie sie an Überlandstrassenbahnen verbreitet waren.



Stationsgebäude für die Kienbergbahn.
Aus: „das Bahnprojekt Frick - Kienberg“, Hansueli Hurter, Eisenbahn-Amateur, Dez 2008.

Der Gleisplan von Kienberg hätte aus einem Hauptgleis, einem zum umfahren und zwei Abstellgleisen bestanden. Interessanterweise wären beide Abstellgleise wären gegen das Ausziehgleis am Streckenende angeschlossen gewesen. Ob man so verhindern wollte, dass sich Güterwagen selbstständig auf den Weg nach Frick hätten machen können? Betrieblich macht dieser Gleisplan für mich sonst wenig Sinn. Insgesamt wäre man im Bahnhof Kienberg gerade einmal mit vier Weichen ausgekommen. Mehr Kleinbahn geht kaum.



Skizze des Gleisplans, wie er in Kienberg vorgesehen war.

Bei der Beschaffung des Rollmaterials, wäre man ebenfalls sehr kostenbewusst vorgegangen. Das Allermeiste wollte man gebraucht erstehen und nötigenfalls selber den individuellen Bedürfnissen anpassen. Beispielsweise war vorgesehen, den einzigen Gepäckwagen aus einem gebrauchten Güterwagen umzubauen, und für den Personenverkehr wollte man sich nach zwei gebrauchen Dritteklasse-Wagen mit je vierzig Plätzen umschauen. Plätze für Reisende erster und zweiter Klasse waren offenbar im Businessplan nicht vorgesehen. Beim Güterverkehr rechnete man mit einem Bedarf von zehn Güterwagen, diese wären selbstverständlich vorher ebenfalls bei anderen Bahngesellschaften unterwegs gewesen.



Zug, wie er in den Anfangsjahren hätte unterwegs gewesen sein können.


Einzig, die beiden Dampfloks sollten fabrikneu angeschafft werden. Es waren zweiachsige Dampfloks von SLM vorgesehen, von der Leistung und den Dimensionen etwa einer bayerischen PtL 2/2 entsprechend, allerdings mit Endführerhäuschen. Nicht wie bei der Lok auf meinen Modellbildern. 



Einige SBB-Tigerli wurden an Werk- und Privatbahnen weiterverkauft.


Ich persönlich bin das erste Mal auf die Kienberg-Bahn aufmerksam geworden, als ich mich im Dezember 2008 der Lektüre des Eisenbahn-Amateurs widmete. Der Eisenbahn-Amateur ist wahrscheinlich die älteste Eisenbahnzeitschrift aus der Schweiz, und sie kann immer mal wieder mit interessanten Beiträgen aufwarten. Beispielsweise diesem, in dem das Projekt dieser Bahnlinie von einem Herrn Hansueli Hurter beschrieben und mit einigen Bildern illustriert wird. Von dort stammen auch die allermeisten Informationen, die ich in diesem Post einfliessen liess. 

Immer auf der Suche nach Vorbildern für meine Modellbahn war ich natürlich von der Kienbergbahn hellauf begeistert. 



Vielleicht die Kienbergbahn in den Sechzigern?...


Genau so kann ich mir die Weineggbahn auch vorstellen, eine Kleinbahn, mit bescheidenen Mitteln erstellt, und wegen geringen Einnahmen seit Anbeginn zu einem sparsamen Betrieb verpflichtetet. 
Ich habe auch schon in älteren Posts Züge „nachgestellt“, von denen ich mir vorstellen kann, dass so - oder dann eben ähnlich - mit Gips, Fahrgäste und landwirtschaftliche Güter zwischen Frick und Kienberg hätten unterwegs gewesen sein können.



... in den Siebzigern?...


Natürlich war ich auch schon vor Ort, um mir anzusehen, wo die Kienbergbahn nie gebaut wurde. Eine schöne, grüne, leicht hügelige Landschaft, die geradezu nach einer solchen Bahnlinie lechzt. Wahrscheinlich ist es derzeit dort wieder recht schön, jetzt wo die Kirschbäume blühen. 

Ich habe mir schon vorgestellt, wie es wäre, in einem Zug, aus schon etwas in die Jahre gekommenem Rollmaterial, durch diese Gegend zu holpern. Es wäre wunderbar! Im Laufe der Zeit hätte die Kienbergbahn natürlich die Dampfloks durch etwas moderneres ersetzt; vielleicht durch etwas, wie meine Em 2/2? Oder etwas ab Stange, beispielsweise von Henschel aus Kassel? Die zur Betriebseröffnung gebracht erstandenen Personenwagen hätten sich über die Jahre bei Wind und Wetter bestimmt zu Kompost und Rost zersetzt; gebrauchte Seetaler von den SBB wären der perfekte Ersatz gewesen. 😉



... und schlussendlich in den Achtzigern?

Diesen Phasen geistiger Abwesenheit, aber gleichzeitig Eisenbahn-Träumereien verfallen, die sich zu allen Tages- und Nachtzeiten manifestieren können, habe ich einen Namen gegeben. Ich nenne sie: Morbius Kienberg. 😀





Noch etwas in eigener Sache: ich schreibe oftmals die Texte einfachheitshalber nicht direkt in diesem Blog, sondern importiere sie. Wenn ich dann noch Bilder einfüge, kommt es manchmal vor, dass sich die Standard-Editierungen ändern. Manchmal kann ich diese wieder ändern, manchmal gelingt es mir nicht, wie beispielsweise in diesem Post. Ich bitte daher die beispielsweise unschönen, unterschiedlichen Zeilenabstände zu entschuldigen. Ich bin dabei nach der Ursache und einer Lösung zu suchen. Bis jetzt allerdings nicht erfolgreich, sorry.


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