Vom Meer in die Hügel

Die Frage, ob Ihr, liebe Leser des Weineggbahn-Blogs, wieder einmal Lust auf etwas Norwegisches habt, ist natürlich rein rhetorisch. Heute könnte ich Euch etwas Setesdalsbane anbieten. Eine Schmalspurbahn im Süden des Landes, die heute leider nur noch auf einem Bruchteil ihrer ursprünglichen Strecke als Museumsbahn verkehrt. 


Bahnhof Røyknes, August 

Die Setesdalbahn war eigentlich nie speziell auf meinem Radar. Klar, wusste ich, dass es diese Museumsbahn gibt. Ihr Rollmaterial, speziell die dort eingesetzten Lokomotiven, haben mich jedoch optisch nie derart angesprochen, dass es mich stark dorthin gezogen hätte.



Grovane, August 2016.
Triebwagen stammt ursprünglich von der Sulitjelmabane.

2016 begleitete mich allerdings Herr K. aus Z. auf einem Teil meiner damaligen Reise und schlug vor, bei dieser Bahn vorbei zu schauen. Warum nicht? Wir hatten sowieso noch einen „Termin“ im Süden, und die Setesdalsbane lag mehr oder weniger am Weg.

Darum verliessen wir nach einigen Tagen in Finse, an der Numedalsbanen und rund um Rjukan mit allem was dazugehört, den Tinnsjø  und machten uns auf den Weg, südwärts nach Grovane. Die Fahrt dauert ohne Kaffee-, Hotdog- und anderen wichtigen Pausen über vier Stunden, und hierbei sind die Zeitverluste infolge Fehlinterpretationen des Navigationssystems noch nicht miteingerechnet. Die zirka 280km haben sich trotzdem gelohnt: zuerst ging es hinauf ins karge Hochgebirge und dann den Wasserläufen entlang, hinunter, durch die immer grüner werdende Kulturlandschaften, zwischen Wäldern und Felskuppen hindurch, bis fast ans Meer. Dieses sahen wir dann erst abends, von unserer Unterkunft aus.



Grovane, August 2016.


Wir wussten genau, um welche Uhrzeit wir in Grovane sein mussten, wenn wir noch eine Runde mit dem Museumszug mitfahren wollten. Über eine so grosse Distanz und ohne Kenntnis der lokalen Gegebenheiten, kann die genaue Terminplanung zur Lotterie werden. Trotzdem erreichten Grovane wie zeitlich vorgesehen; womit der Runde Bahn fahren nach Røyknes und zurück nichts im Weg stand.



Umladeinfrastrukur Normalspur - Schmalspur, Grovane, August 2016.


Die Setestalbahn wurde 1896 eröffnet und verband Kristiansand, eine Hafenstadt in Südnorwegen, durchs Setestal mit Byglandsfjord am gleichnamigen Binnensee. Auf der ganzen, fast 80km langen Strecke folgte die Bahn neben einigen anderen natürlichen, beziehungsweise künstlich aufgestauten Seen, dem Fluss Otra.

Als 1938 die normalspurige Sørlandsbane von Oslo über Grovane nach Kristiansand und weiter bis Stavanger gebaut wurde, hat man die südlichsten zwanzig Kilometer der Setesdalsbane in die Sørlandsbane integriert und auf Normalspur umgenagelt. In Grovane entstand zeitgleich ein neues Betriebsgelände mit Umladeinfrastruktur und umfangreichen Unterhaltseinrichtungen.



Grovane, Oktober 2017.


Die Setesdalsbane hatte zeitlebens eine nicht unbedeutende Funktion zur Erschliessung dieser Region. Die Züge hatten für eine Schmalspurbahn oft stattliche Längen, und man investierte beispielsweise auch in Dieseltriebwagen, um den Personenverkehr effizienter und günstiger abwickeln zu können. Ab Byglandsfjord gab es auf dem See zeitweilig eine Dampfschiffverbindung Richtung Norden.

Trotzdem wurde 1962 der Verkehr auf den verbliebenen 58km zwischen Grovane und Byglandsfjord eingestellt und die Gleise abgebaut. Wahrscheinlich auch, weil die Bahnlinie dem Bau einer Staumauer in die Quere kam, mit der man fünf Kilometer oberhalb von Grovane den Otra zwecks Stromgewinnung staute.



Grovane, Oktober 2017.
Diverse Güterwagen stammen von der Sulitjelmabahn, die Diesellok von den Schwedischen Staatsbahnen.

Die Setestalbahn hatte in Grossbritannien eine gewisse Bekanntheit erlangt und wurde, vor allem in ihren letzten Betriebsjahren, von zahlreichen britischen Eisenbahnfreunden besucht. Mithilfe dieser Eisenbahnfreunde gelang es einigen Norwegern, nach der Betriebseinstellung, das Betriebsgelände in Grovane, Rollmaterial und wenigstens einige Kilogramm Strecke zu erhalten. Später konnte sogar mit einer Neubaustrecke die Staumauer umgangen werden, und so können seit 2004 wieder Museumszüge über eine immerhin 8km lange Strecke bis nach Røyknes fahren.



Setesdal, August 2016.

Unser Zug verliess Grovane nach den obligaten Pfiffen des Bahnpersonals auf dem Perron und der postwendenden Antwort aus dem Führerhaus. Zuerst parallel der Sørlandsbane nach Oslo folgend und rechterhand dem ausgedehnten Betriebsgelände entlang, schwenkt die Strecke allmählich nach Westen und folgt dem Fluss und einem speziellen Kanalsystem das Tal hinauf. Nachdem die Höhe der Mauerkrone des Staudamms erreicht ist, führt die Bahnlinie mehr oder weniger eben dem Stausee entlang bis nach Røyknes, dem Ende der Museumsbahn. In Røyknes gibt es einen netten Kleinbahnhof, inklusive einem mehr als modellbahngerechten Wasserturm aus Holz.



Byglandsfjord, Oktober 2017.


Herr K. aus Z. scheinbar sich in die Setesdalsbanen verguckt zu haben. Jedenfalls eröffnete er mir rund ein Jahr später, dass er im folgenden Herbst nach Grovane reisen werde, um dort einen Modellbauer zu treffen, der vorzügliche Bausätze von Modellen nach Vorbildern der Setesdalsbanen herstellt. Ich war natürlich Feuer und Flamme von dieser Idee und für eine solche Reise sofort zu haben! Herr K. aus Z. hat sich vorher akkurat auf diese Reise vorbereitet, womit dem Treffen und einer ausgedehnten Führung über das Betriebsgelände und durch alle Gebäude in Grovane durch den Modellbauer, am folgenden Tag eine ausführliche Erkundungstour folgte. Wir fuhren der gesamten ehemaligen Strecke entlang, von Grovane bis nach Byglandsfjord und wieder zurück. Beim „Zurück“ waren die Lichtverhältnisse allerdings nicht mehr besonders Entdeckungsfreundlich; es war schon Mitte Oktober, und zu dieser Jahreszeit ist die Anzahl täglicher Stunden mit Sonnenlicht in der Minderheit.



Byglandsfjord, Oktober 2017.


Die Strecke muss sehr schön gewesen sein. Ich würde viel dafür geben, mit einer Zeitmaschine zurückzureisen und diese Strecke per Zug abfahren zu können. 

Auch wenn seit dem Ende der Setesdalsbane rund sechzig Jahre ins Land gezogen sind, konnten wir erstaunlicherweise noch recht viel von der Bahnlinie entdeckten; die meisten Gebäude und Bauwerke befinden sich noch in tipptoppem Zustand, und den Streckenverlauf kann man über weite Strecken in der Landschaft gut erkennen.



Herr K. aus Z‘s Setesdalsbahn-Wägelchen in HOm.
Von ihm aus Messingbausätzen gebaut und lackiert. 
Superschön.

Ich werde sicher wieder einmal bei der Setesdalsbanen vorbeischauen und eine Runde Museumsbahn fahren. Zumal ich mich zwischenzeitlich auch an das Aussehen der Dampfloks dort gewöhnt habe. Ausserdem habe ich mich diesbezüglich in den vergangenen Jahren ebenfalls weitergebildet, und darum gäbe es noch vieles viel zielgerichteter zu erkunden. Vielleicht besteht ja in Zukunft einmal die Möglichkeit, weiter als bis Røyknes zu fahren. Von einer Fahrt nach Byglandsfjord zu träumen, wäre verwegen, aber in Hægeland ist vom Bahnhof noch sehr viel vorhanden, und die Anfahrt über den Damm im See wäre fantastisch. Ausserdem: in Norwegen scheint viel Geld für Museumsbahn-Projekte vorhanden zu sein...



Grovane, Oktober 2017.


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