Büchsenfutter

BFV1 heisst er. Oder besser hiessen sie, die norwegischen Güterzuggepäckwagen mit Personenabteil. Und wer jetzt denkt, dass ihm dieser Wagen bekannt vorkommt - beziehungsweise das Modell eines solchen auf den Bildchen hier im Blog - dem kann schmerzlos und ohne Kraftaufwand auf die Sprünge geholfen werden. Weil es sich bei den Vorbildern nämlich folgendermassen zugetragen hat: ein geistesgestörter Veteran aus dem ersten Weltkrieg, dessen Karriere als bildender Künstler mangels Talent nicht so richtig in Fahrt kam, entschied sich stattdessen, mit nicht minder geistig bemittelten Kumpanen Europa neu zu gestalten. Sein auf tausend Jahre ausgelegter Gestaltungswille nahm glücklicherweise nach zwölf Jahren in einem Bunker in Berlin ein rasches Ende und grosse Teile des europäischen Kontinents lagen aufgrund seiner hirnverbrannten Pläne in Schutt, Asche und im Elend.




Norwegen hätte laut diesem geistigen Vollweisen und seinen diesbezüglich nicht besser aufgestellten Mitläufern auch umgestaltet werden sollen. Zu dieser „Umgestaltung“ wurde zuerst das Land besetzt und jene Einwohner, die ihm und seinen Ideen gegenüber berechtigterweise Vorbehalte anmeldeten, in Gefängnisse gesteckt, gefoltert, gequält und teilweise umgebracht. Nach dem dieses Kapitel unrühmlicher Geschichte des modernen Europas auch in Norwegen ein abruptes Ende gefunden hatte, und die selbst deklarierten Herrenmenschen das Land mit eingezogenem Schwanz schnellstmöglich wieder verlassen haben, blieb einiges an Material zurück, dass sie zur Umsetzung ihrer feuchten Träume nach Norwegen mitgeschleppt haben. Auf dem Eisenbahnsektor waren neben Lokomotiven und Güterwagen auch einige Personenwagen zurückgeblieben.






Weil diese Vollpfosten identisches Rollmaterial kriegsbedingt sonst noch überall in Europa verteilten, und die wiedererstandenen Bahngesellschaften in der Nachkriegszeit um alles froh waren, was sie produktiv einsetzen konnten, wurden solche Loks und Wagen über die folgenden Jahrzehnte weiterhin kontinentalweit eingesetzt. Nicht selten wurde es nach und nach den landestypischen Normen angeglichen, oder sogar im grossen Stil umgebaut.

Trotz aller Tragik, die mit der Herkunft dieses Rollmaterials verbunden ist, bot es der Modellbahn-Industrie die Möglichkeit aus den Werkzeugen für ein Modell zahlreiche Farbvarianten für diverse europäische Bahngesellschaften herzustellen. Aus diesem Grund gibt es unter anderem auch einige Modell mit norwegischen Vorbildern, die eigentlich nicht besonders norwegisch daherkommen, aber trotzdem durchaus vorbildlich sind.





In Norwegen wurde - wie in diversen anderen Staaten auch - das deutsche Rollmaterial zum Teil recht aufwendig den eigenen Bedürfnissen angepasst, was wiederum zur Folge hat, dass sich Kleinserienhersteller Grossserienmodellen den aus dem Modellbahnsektor annehmen, oder passende Umbausätze anbieten. Bei mir in der Sammlung befindet sich beispielsweise auch ein Heizwagen, den ich mir aus einem solchen Bausatz gebaut habe. (Der erste Wagen hinter der Lok auf dem obersten Bild. Die Geschichte dazu findet Ihr HIER.)





Offenbar schafften die Möchtegern-Herrenmenschen auch einige Donnerbüchsen nach Norwegen. Da diese Personenwagen für das dortige Eisenbahn-System weniger als bedingt geeignet sind - kalte, schneereiche Wintertage, lange Bahnfahrten auf nicht immer optimalem Oberbau - gelangten sie recht rasch in mindere Dienste und wurden den neuen Aufgaben angepasst. Oft in Wagen umgebaut, welche in Güterzügen mitliefen, damit noch etwas Einzelgut mitgenommen werden konnte, der Zugführer ein fahrendes Büro hatte und allfällige Mitreisende eine Sitzfläche unter den Hintern bekamen.





Weil praktisch jeder namhafte Modellbahnproduzent früher oder später eine Donnerbüchse im Programm hat oder hatte, sind entsprechende Umbauten bei norwegischen Modellbahnern recht beliebt. Wodurch diese Wagen wahrscheinlich einen gewissen Kultstatus erreichen konnten.





NMJ ging vor einigen Monaten einen neuen Weg, indem man Modelle des unter anderem BFV1 genannten Wagen komplett aus Messing im für diesen Produzenten bekannten hohen Standard herstellen liess. Muss ich wirklich erwähnen, dass sich ein solches Modell auf den Weg von Oslo durch halb Europa machte, um jetzt die Vinhjørnebane (dem norwegischen Äquivalent zu Weineggbahn) zu bevölkern? Wohl kaum.




Exzellent ist es, das Modell des BFV1; daran gibt es nichts zu meckern. Und da steht ja auch noch das eine oder andere Modell in der Ffffitine, dass sich sehr gut vor oder hinter dem Güterzuggepäckwagen mit Personenabteil macht. Ob mir das Vorbild gefällt? Nein, ehrlich gesagt nicht besonders, kommt es doch sehr verbastelt und handgestickt daher. Aber es war eben - trotz seiner problematischen Vergangenheit - ein Klassiker auf Norwegens Gleisen während meiner bevorzugten Epoche.






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