Das “ macht den Unterschied.
Im Gegensatz zu meiner Modellbahnsammlung spielten Dieselloks in der Schweiz ausser im Baudienst oder auf Rangierbahnhöfen keine Rolle. Ich weiss, ich wiederholen mich, habe ich dies ja letztens hier schon einmal geschrieben. Weil die Schweiz keine eigenen fossilen Rohstoffe hat, wurde schon in der Zeit des ersten Weltkriegs damit begonnen, die Bahnstrecken zu elektrifizieren. Elektrizität konnte durch die reichlich vorhandene Wasserkraft problemlos selber produziert werden.
Darum war die Bm 4/4“ eigentlich von Anfang an ein überflüssiger Exot. Zwei Stück wurden als Am 4/4 gebaut und eine davon stolz an der Landesausstellung 1939 als Errungenschaften des Lokomotivbaus präsentiert. Noch während dieser Ausstellung brach der zweite Weltkrieg aus, Dieseltriebstoff wurde zur Mangelware und die Loks eingemottet. Als die beiden Loks nach 1945 wieder „ausgegraben“ wurden, waren die allermeisten Strecken elektrifiziert und Dieselloks im Streckendienst noch überflüssiger.
Eine der beiden Loks war dann in Genf zuhause, damit sie notfalls Züge auf der Gleichstromstrecke Richtung französische Grenze hätte schleppen können. Die Andere wurde in Winterthur, östlich von Zürich, beheimatet. Dort beförderte sie hauptsächlich Güterzüge durchs Weinland in Richtung Singen am Hohentwiel, denn dieser Strecke fehlt ab Etzwilen der Fahrdraht. Für diese Leistungen waren die beiden Loks aber zu schnell und zu schwach. Darum wurde Beiden anfangs Sechzigerjahre das Getriebe so umgebaut, dass sie zwar nicht mehr ganz so schnell unterwegs waren, dafür mehr schleppen konnten. Und hier kommt das “ ins Spiel: Die SBB hatte zu diesem Zeitpunkt schon Loks, die auf die Bezeichnung Bm 4/4 hörten (schaut hier unten ⬇️). Um sie von diesen unterscheiden zu können, wurden die ehemaligem Am 4/4 sozusagen zu „Bm 4/4 die Zweiten“.
Meine Bm 4/4“ stammt aus einem Spielwarengeschäft in der Zürcher Altstadt, das es seit vielen Jahren nicht mehr gibt. Sie stand dort während vieler Jahre unter einer immer dickeren Staubschicht in der Fffitrine. Sie war nicht der einzige Gegenstand in diesem Landen der Staub ansetzte, neben ihr frönten noch einige andere Modelle diesem Schicksal. Aber die Bm 4/4“ war die Lok die mich am Meisten bemitleidete.
Leider war sie nicht ganz günstig, sie wurde ja auch von zarten, koreanischen Händen über viele Stunden aus edelstem Messing zusammengelötet. Wegen des Preises konnte ich sie erst nach einer längeren Sparaktion aus ihrer misslichen Lage befreien. In der Zeit zwischen unserem ersten Kontakt durch Staubsicht und Fffitrinenglas bis zum Moment, an dem sie in meinen Besitz überging, hatte ich reichlich Zeit, Anlagen für die Bm 4/4“ zu planen. Selbstverständlich waren die damals neuen Seetaler-Wagen bei diesen Plänen mit im Spiel. Ein Endbahnhof einer nichtelektrifizierten Nebenbahn hätte es werden sollen.
Und jetzt, dreissig Jahre später, präsentiere ich Euch stolz mein Modell der Bm 4/4“ mit der Seriennummer 118/230 aus dem Hause Fulgurex, hergestellt 1985, in einem Endbahnhof einer nichtelektrifizierten Nebenbahn. Die Welt hat das Internet erfunden, China ist zur Weltmacht aufgestiegen, Volvo ist nicht mehr schwedisch, hat aber zwischendurch den XC70 auf den Markt gebracht, ich habe ein iPhone 13, und wir haben seit mehr als zwei Jahren eine weltweite Pandemie, deren Viren alle paar Monate mutieren. Trotzdem dreht sich bei mir modellbahnerisch immer noch alles um den Endbahnhof einer nichtelektrifizierten Nebenbahn. Es scheint also noch Konstanten auf dieser Welt zu geben. Ob das jetzt beruhigend, oder tröstlich, oder sogar beides ist? 😀
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